augenblick & eigensinn: Ein Design-Klassiker in unserem Wohnzimmer

Donnerstag, 29. Mai 2014

Ein Design-Klassiker in unserem Wohnzimmer

Ja, richtig gelesen: ich bin stolzer Besitzer eines Design-Klassikers! Ihm, bzw. ihr gehört schon lange meine heimliche Liebe, allerdings wusste ich bis gestern nicht, dass es sich um einen Klassiker handelt, der sogar einen Platz im Museum Of Modern Art in New York hat. Da staunt ihr! Also, ich zumindest habe das getan. Das Design ist wirklich bis heute außergewöhnlich, aber was noch viel wichtiger ist, ist die Funktionalität. Und die ist bei aller Einfachheit so herausragend, dass ich das gute Stück seit Jahren durch Umzüge und Bauphasen mit mir geschleppt habe, selbst, als es durch Ersatzteilmangel irreparabel offensichtlich den Geist aufgegeben hatte. (Man beachte feinsinnig die Vergangenheitsform meiner Aussage... :D)

Wer auf ein Sitzmöbel oder ein Dekorationsobjekt spekuliert hatte, den werde ich wohl mit dem Kommentar zum Ersatzteilmangel etwas beirrt haben - um niemanden weiter auf die Folter zu spannen: Tadaaaa! Ich präsentiere:


Jep! Ihr seht richtig: Eine Nähmaschine??? Ja, und zwar meine absolute Lieblingsnähmaschine! Ich habe sie vor ewigen Zeiten als Dauerleihgabe von meiner Tante Anne bekommen und habe sie seitdem an die unmöglichsten Orte mitgeschleppt. Das Metallgehäuse lässt sich nämlich zu einer handlichen kleinen Kiste zusammenklappen, die sogar Rucksack-kompatibel ist. Viele Freundinnen von mir haben auf ihr ihre ersten Nähversuche unternommen, selbst mein damals noch kleiner Sohn hat mit seinen 5 Jahren Ostereier für Oma darauf genäht. Sie hat die Jahre über vieles verziehen, was man so einer Maschinenmechanik antun kann und tapfer durchgehalten, was für eine absolut solide Verarbeitung spricht. Und ich habe Kilometer um Kilometer Garn auf ihr vernäht, Wachstuch, PVC, Leder, Jeans und feinen Stoff, vor nichts machte diese Maschine Halt. Doch nachdem das Gehäuse des Fußpedals gebrochen war, fuhr sie leider nur noch Vollgas - oder gar nicht. Der freundliche Herr vom Reparatur-Service, den ich darauf hin konsultierte, bot an, das gute Stück in Zahlung zu nehmen, da seiner Aussage nach irreparabel. Ich habe dann zum Glück sein Sortiment "probegenäht" und, verwöhnt wie ich von dieser Maschine war, dankend abgelehnt. Zu groß, zu laut, Nahtbild zu ungleichmäßig... und irgendwann, als ich in Bereiche kam, wo die Maschinen qualitativ an mein "Schätzchen" herankamen: zu teuer. Viel zu teuer! 

Der Platz im Museum of Modern Art hat mir trotzdem ein Schmunzeln entlockt, aber letztendlich habe ich keinen adäquaten Ersatz finden können, das spricht ja doch für Einzigartigkeit.

Ich habe mir in den Zeiten danach mit Discounter-Maschinen beholfen, weil bei meinem sehr knappen Budget nichts anderes erschwinglich war, und habe geschimpft und gezetert und mehr oder weniger die Lust am Nähen verloren. Da musste mein Bedarf an etwas, was nicht käuflich zu erwerben war, schon sehr groß werden, um diese dann aus ihrem Pappkarton zu kramen und zum Einsatz zu bringen. 

In den letzten Wochen war dann dieser Zeitpunkt mal wieder erreicht, eine meiner Töchter war zu Besuch und wir haben nach ihren Entwürfen ein Kleid für den großen Tag genäht, an dem die Abitur-Zeugnisse überreicht werden. Bilder folgen hoffentlich noch, aber dafür hatten wir keine Zeit mehr, denn wie immer habe ich mit der Technik gerungen und gekämpft, um trotz aller Hindernisse ein Ergebnis zu erzielen, was mich zufriedenstellen konnte. Der große schwere Tisch hat gewackelt und der Fußboden hat gebebt und das Getöse war auf Dauer wirklich anstrengend!

Aber was hat das nun alles mit der alten Elna Lotus zu tun, mit meinem Design-Klassiker? 
Gestern hatten wir lieben Besuch mit Fachkenntnis: Achim hat meine Maschine in Einzelteile zerlegt, Kontakte gesäubert und improvisiert, wo der Riss im Fußpedal eine korrekte Motorsteuerrung verhinderte, und: sie läuft!!!! Sie läuft wie eh und je, schnurrt leise wie ein Kätzchen und mein Herz tanzt vor Freude! Danke, danke, danke!!!

Gestern Abend konnte ich es dann ja nicht lassen, mal eben schnell etwas Kleines anzufangen, schließlich war es schon spät, aber ruckzuck war das erste Projekt fertig, ohne Schimpfen und Aufregung, ohne Stecknadeln und gewellten oder verzogenen Stoff: Eine Hülle für mein Smartphone! (Es besitzt zwar schon einen Silikon-Bumper, da ich schreckhafter Mensch das gute Gerät schon mal fallen lasse oder es mir im Eifer bei der Arbeit einfach aus der Hosen- oder Jackentasche plumpst, und eine Schutzfolie fürs Display, aber diese leidet jedes Mal, wenn ich das Smartphone zusammen mit meinen Schlüsseln in der Handtasche transportiere.) Sicher, so etwas kann man auch fertig kaufen - muss man aber nicht :). 


Also, fix Wachstuch und Baumwollstoff (beide gefunden bei Stoff & Stil in Lübeck) auf Smartphone-Größe doppellagig zugeschnitten, ein Stückchen dänischer Webspitze aus dem Fundus gekramt und ab an die Maschine. Den Baumwollstoff habe ich an der oberen Kante schmal eingeschlagen und knappkantig auf den Wachsstoff gesteppt. Dabei habe ich das Spitzenband auf der einen Seite der Hülle mitgefasst, die andere Seite der Hülle hat im oberen Drittel ein Knopfloch in Bandbreite bekommen.


Dann habe ich das Wachstuch knappkantig auf der rechten Seite aufeinandergesteppt, den Innenstoff dabei mitgenäht und nachher alles sauber und glatt abgeschnitten. Das Band liegt nun im inneren der Hülle und kommt durch das Knopfloch wieder an die Oberfläche, damit ich mit seiner Hilfe mein Smartphone wie mit einem kleinen Lift herausziehen kann.


Damit das Band nicht aus Versehen durch das Knopfloch flutscht, habe ich als "Stopper" aus einem Lederrestchen einen stilisierten Vogel angenäht und mit Lackstift bemalt. Fertig ist meine Smartphonehülle!

Da sich noch niemand über das leise Surren der Maschine beschwert hatte, habe ich direkt noch ein kleines Täschchen nachgeschoben, so etwas kann "Frau" ja immer mal brauchen...


Und bevor ich das nächste Projekt in Angriff nehmen konnte, habe ich zum Glück auf die Uhr geschaut, Mitternacht war längst vorüber. Aber mich juckt es in den Fingern, jetzt mal wieder Kleider zu nähen, schließlich ist es Sommer (auch, wenn es heute draußen nicht wirklich so aussieht!) und ich liebe Kleider!

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